VON PROF. DR. ADELHEID KUHLMEY
Das Praktische Jahr (PJ) ist einer der elementaren Ausbildungsabschnitte im Medizinstudium. In diesem sechsten und letzten Jahr des Studiums – auch der PJ-Abschnitt gehört zur Regelstudienzeit des Medizinstudiums und wird beispielsweise bei Bafög-Zahlungen als solcher anerkannt – werden die zuvor erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vertieft und erweitert. Die Studierenden sollen üben, das Erlernte auf den einzelnen Krankheitsfall anzuwenden.
Im Mittelpunkt dieser 48 Wochen steht die Ausbildung am Patienten. Zugewiesene ärztliche Tätigkeiten dürfen nur unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes durchgeführt werden. Die Studierenden lernen auf diese Weise, unter ärztlicher Aufsicht Eigenverantwortung für ihr medizinisches Handeln zu übernehmen. Da das PJ mit 1.920 Stunden einen nicht unerheblichen Anteil an der Ausbildungszeit des gesamten Medizinstudiums – 5.500 Stunden nach EU-Richtlinie 93/16 – umfasst, sind wir bestrebt, in diesem Zeitraum die inhaltlichen Aspekte des Studiums zu vertiefen.
Das PJ ist als Teil des Studiums definiert, der nicht prinzipiell vergütet wird. Ein Ausdruck dafür, dass es sich um einen Studienabschnitt handelt, ist etwa auch der allen PJlern zustehende Studientag. An diesem Tag, den die Kliniken ihnen freigeben müssen, können sie theoretische Kenntnisse, die sie für die Praxis benötigen, recherchieren oder sich in ihrer wissenschaftlichen Expertise fortbilden.
Das Praktische Jahr gehört zum Studium. Darin unterscheidet sich die Medizin übrigens von anderen Studienrichtungen: In der Rechtswissenschaft zum Beispiel liegt das Referendariat außerhalb des Studiums und das erste Staatsexamen stellt auch einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss dar. In der Medizin dagegen erwerben die Absolventen des Medizinstudiums erst mit dem dritten Staatsexamen – und damit nach dem PJ – ihren ersten berufsqualifizierenden Abschluss.
PROF. DR. ADELHEID KUHLMEY, Vize-Prodekanin für Studium und Lehre an der Charité.
VON CHRISTIAN WOLFRAM
Die Zeiten, in denen Medizinstudierende im Praktischen Jahr als kostenlose Arbeitskräfte vereinnahmt werden, müssen endlich vorbei sein. Es kann nicht sein, dass es von der Klinik abhängt, ob Studierende für ihre Arbeit eine Aufwandsentschädigung bekommen. Das ist unfair – und respektlos.
Während des Studiums kann man sich problemlos etwas dazuverdienen. Wer als PJler auf Station 40-Stunden-Wochen schiebt, kann das nicht. Ein Ausbildungsjahr ohne Aufwandsentschädigung ist deshalb für viele gerade in Städten wie Hamburg oder München schlicht nicht zu finanzieren. In Berlin etwa zahlen nur 3 von 41 Krankenhäusern ihren PJlern eine Vergütung. Die Hauptstadt-Kliniken können sich das leisten, viele Studierende nicht.
Aber es gibt nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem. Es geht auch um Anerkennung. In vielen Krankenhäusern übernehmen PJler Aufgaben, ohne die der normale Ablauf einer Station nicht möglich wäre. Sie legen Zugänge, nehmen Blut ab, schreiben Arztbriefe und führen Patientengespräche. Sie assistieren bei Operationen, verabreichen Medikamente und kontrollieren Wunden. Vielerorts ersetzen sie ganze Vollzeitkräfte – nicht in jedem Haus und nicht an jedem Tag, aber regelmäßig und beinahe flächendeckend. Denn fast überall herrscht Personalmangel.
Natürlich ist das PJ Teil des Studiums. Aber es wäre zynisch, es mit Vorlesungen und Seminaren zu vergleichen. Ein PJ ist Arbeit und Ausbildung zugleich – und gerade der Unterricht bleibt allzu oft auf der Strecke, wie Umfragen unter PJlern zeigen. Deshalb setzen wir uns im Hartmannbund weiterhin engagiert für eine bundesweit einheitliche PJ-Vergütung ein. Sie könnte sich zum Beispiel an der Höhe des Bafög-Höchstsatzes orientieren, der aktuell bei 735 Euro im Monat liegt. Das hätte zur Folge, dass die Studierenden ihre PJ-Klinik endlich nach der Ausbildungsqualität auswählen können und nicht danach, wo sie es sich leisten können. Denn die ist im Zweifel wichtiger als das Geld: Am Ende steht schließlich noch ein mündliches Examen.
CHRISTIAN WOLFRAM, Medizinstudent an der Universität Leipzig und Vorsitzender des Ausschusses Medizinstudierende im Hartmannbund.