Sie haben an der Uni Frankfurt das Programm „Landpartie 2.0“ gestartet. Medizinstudierende können dort über sechs Semester in ausgewählten Landarztpraxen hospitieren. Was passiert dabei genau?
Es geht nicht nur um Hospitation in Praxen, sondern um ein Paket: Die Studierenden werden über die gesamte Zeit in Mentoring-Gruppen begleitet, sie besuchen allgemeinmedizinische Seminare und nehmen an Tagesausflügen teil, bei denen wir ihnen innovative Versorgungsmodelle in drei verschiedenen Landkreisen vorstellen.
Warum ist es so schwer, Mediziner aufs Land zu locken?
Weil sich Vorurteile halten. Zum Beispiel, dass man auf dem Land als Einzelkämpfer rund um die Uhr arbeiten muss. Bei uns erleben die Studierenden dann Ärzte, die im Team arbeiten und geregelte Arbeitszeiten haben. Viele denken beim Landarzt auch an Opas Pantoffelpraxis. Und sehen dann in unserem Programm Praxen, die digital vernetzt sind und moderne Medizin machen.
Sie bieten solche Programme seit 2012 an. Ihr Fazit bisher?
Studierende können sich anschließend eher vorstellen, auf dem Land zu arbeiten. Sie sind oft fasziniert davon, wie persönlich es dort zwischen Arzt und Patient zugeht und wie interessant Hausbesuche sind. Viele Studierende wollen mit ihren Patienten sprechen und interessieren sich dafür, was aus ihnen wird. All das erlebt man in der Landpraxis eher als in der Klinik.
Was halten Sie von der Landarztquote, die einige Bundesländer einführen wollen?
Nicht viel. Erstens: Es dauert sehr lange, bis sie den ersten Landarzt hervorbringt – mit Aus- und Weiterbildung mindestens 14 Jahre. Zweitens verlangen wir hier Schülern die Entscheidung ab, sich für eine sehr lange Frist festzulegen. Das ist realitätsfremd. Problematisch ist drittens auch die Konventionalstrafe, die zu zahlen ist, wenn man doch nicht aufs Land geht. Die bedeutet letztlich, dass Studienplätze käuflich werden. Das größte Problem ist aber viertens, dass die Tätigkeit des Landarztes diskreditiert wird: Der Job ist ja scheinbar etwas für Leute, die sonst keinen Studienplatz bekommen. Die Quote motiviert nicht, sie schreckt eher ab.
Wie motiviert man denn?
Zum Beispiel mit attraktiveren Arbeitsbedingungen, mit der Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten oder dort, wo Kinderbetreuung möglich ist. All das ist auf dem Land machbar. Außerdem braucht es wirksame Programme in der Aus- und Weiterbildung, die Studierenden die Angst vor dem Land nehmen. Und nicht zuletzt braucht es auch finanzielle Anreize in Form eines deutlichen „Landarztzuschlags".
Haben Sie eigentlich selbst mal auf dem Land gearbeitet?
Ich bin im Sauerland aufgewachsen und war in verschiedenen ländlichen Praxen in Niedersachsen tätig.
Aber gelandet sind Sie schließlich in Frankfurt.
Ja. Aber es gibt die Möglichkeit, in Frankfurt zu leben und in einem Gesundheitszentrum etwa an der Bergstraße oder im Hochtaunus zu arbeiten. Die Idee, dass man sich mit Haut und Haaren dem Land verschreiben muss und von da die nächsten 30 Jahre nicht wegkommt, ist auch eines dieser Klischees.