Niederlassen oder lieber lassen?

PRO

VON MAXIMILIAN MENNINGER

Nach dem Studium werde ich in die Kinder- und Jugendpsychiatrie gehen. Deshalb steht für mich außer Frage, dass ich eine Praxis gründe. Ich möchte gern mein eigener Chef sein. Daraus ergibt sich ein großes Potenzial, meine Arbeit und meinen Alltag nach meinen Vorstellungen und Ideen zu gestalten und individuell zu optimieren. Flexible Urlaubszeiten sind ein angenehmer Bonus. Sicher bestehen große Unterschiede zwischen Niederlassung und Arbeit in der Klinik, jeweils mit Vor- und Nachteilen: Während eine Anstellung geregelte Arbeitszeiten und ein Gehalt nach Tarif gewährleistet, ist eine Niederlassung zunächst mit finanziellen Hürden und mentalen Herausforderungen verbunden. Wer sich als Mediziner selbständig machen möchte, braucht eine Stange Geld – 200.000 bis 800.000 Euro, je nach Fachrichtung und Praxislage. Das bedeutet, dass man für eine Niederlassung auch ein gewisses Gespür für Geld und Wirtschaftlichkeit mitbringen sollte – oder zumindest eine Leidenschaft dafür entwickeln sollte. Das ist allerdings etwas, was im Studium überhaupt nicht gelehrt wird und mir persönlich unglaublich fehlt. Daneben gibt es natürlich auch Fachrichtungen, in denen es keinen Sinn macht, sich selbständig zu machen – etwa in der Chirurgie, die nur in der Klinik die entsprechenden Patienten findet. Darüber hinaus bietet die Anstellung in der Klinik Fortbildungen und immer wieder junge, frische Kollegen, die neues Wissen mit reinbringen und den Kollegen etwas beibringen. Wenn man selbständig arbeitet, müssen die Themen Weiterbildung, Neuwissen und Kongressteilnahme aus eigener Motivation heraus gestemmt werden. Dennoch glaube ich, dass gerade für kleine Bereiche wie die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die HNO oder die Allgemeinmedizin die Praxisgründung eine sehr angenehme Option ist: Man ist sein eigener Chef und kann sich selbst verwirklichen.

KONTRA

VON SEBASTIAN BALHORN

Sein eigener Chef sein und alleinige Verantwortung übernehmen sind die ersten Argumente, die einem beim Thema Niederlassung in den Sinn kommen. Oft vernachlässigt wird dabei das mittel- und langfristige Risiko einer Praxisgründung. In Hinblick auf die im Masterplan 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung für die Niederlassung lässt sich feststellen, dass dieser Aspekt auch in der aktuellen Debatte noch nicht vollständig erfasst wurde: Man ist bei seinen Einnahmen sehr abhängig von den nicht zu beeinflussenden Verträgen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband der Krankenkassen. Dabei ist der Wunsch nach Planungssicherheit und einer angemessenen Vergütung bei dem zu tragenden unternehmerischen Risiko nur verständlich. Im Gegensatz hierzu stehen bei einer Anstellung in der Klinik Tarifverträge mit festgesetzten Lohnsteigerungen. Ein weiterer Vorteil ist auch eine gewisse Flexibilität bei der Ortswahl, denn man kann nicht einfach irgendwo eine Praxis eröffnen. Auch sind bei einer Niederlassung weitere Vorgaben zu beachten: Gegebenenfalls sind Notfalldienste zu übernehmen und man muss sich in Urlaubszeiten mit Kollegen absprechen. Es gilt etwa Entscheidungen über Praxisangebot und Spezialisierungen zu treffen und hierfür Marketing zu betreiben. Darüber hinaus fordern Dokumentation, Abrechnungen und Steuer – selbst mit professioneller Unterstützung – ein gewisses Allroundtalent. Nicht jeder möchte oder kann dies liefern, zumal solche Themen im Medizinstudium bislang kaum Beachtung finden. Die Klinik bietet für viele Fachbereiche auch eine andere Arbeitsweise: Die unmittelbare Verfügbarkeit von Diagnostik, gepaart mit einem interdisziplinären Team, gibt die Möglichkeit zum rascheren Ausschluss von Differenzialdiagnosen und zu einer Therapieanpassung. Nicht zuletzt hat man als Angestellter in der Klinik oft die Möglichkeit zu forschen. So mag man in einer Anstellung zwar nicht sein eigener Chef sein, sie bietet einem aber attraktive Punkte zum Ausgleich.

 


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